Nepal (Teil 1): Von Rauch und Ziegelfabriken

Reise nach Nepal im Januar 2024, zusammen mit der Moderatorin und Kindernothilfe-Botschafterin Sabine Heinrich: Fünf Grad Celsius zeigt das Thermometer. Kälte, Armut und harte Arbeit gehören zur bitteren Realität vieler nepalesischer Kinder und Familien. Genau da setzt das Projekt unseres Partners Rural Development Centers (RDC) an. Im Fokus steht die weit verbreitete Kinderarbeit, die hier besonders in Ziegeleien stattfindet. 

Es ist kalt in Dayalpur. Hier, ganz im Süden von Nepal, sinkt die Temperatur nachts auf klamme fünf Grad. Auch tagsüber klettert das Thermometer kaum höher. In einem Land ohne Heizungen ist das kalt. Für manche zu kalt. Vergangene Woche sind zwei Babys erfroren, erzählt der Sozialarbeiter. Er kennt die Eltern. „Sie arbeiten den ganzen Tag draußen. Und die Kleinen sind drinnen nicht immer im Blick.“

Eine Familie in Nepal steht in der Tür ihrer ärmlichen Hütte aus Bambus und Lehm
Die Hütten bieten keinen Schutz gegen die Kälte.

Drinnen, damit meint er die schlichten Hütten, die aus mit Lehm verputztem Bambusgeflecht errichtet sind. In eine darf ich einen Blick werfen. Ein Schlafraum, den sich die fünfköpfige Familie teilt. Die Gemeinschaftsmatratze für Vater, Mutter und die drei Kinder liegt auf dem Boden. Zwischen Oberkante Mauer und Dach klafft ein offener Meter. Die Kälte, sie kriecht hier nicht nur herein, sie fegt kaum gebremst zusammen mit Wind und Regen ins Innere.

Strohfeuer und angezogene Ziegen

Sobald der Morgen dämmert, werden vor den Hütten im Dorf kleine Feuer entzündet. Diese Strohfeuer spenden – wenn man direkt davor sitzt – etwas Wärme, Menschen und Tieren. Die Hunde drängen sich nachts an die glimmenden Reste der Glut. Die Ziegen halten mehr Abstand. Sie tragen Pullover und Strickjacken, manchmal ein T-Shirt, damit sie in der feuchten Kälte überleben.

Kleine Ziegen, die bunte Laken gegen die Kälte tragen
Angezogene Zicklein (Foto: Weidemann)

Selbst den robusten Wasserbüffeln, die zur Feldarbeit eingesetzt werden, sind grobe Säcke übergezogen. Die Tiere sind ein kostbares Gut, hier im Terai, in der fruchtbaren Tiefebene des Ganges in Nepal.

Wenig Sicht

Neben der Wärme produzieren die Strohfeuer noch etwas anderes: dicht qualmenden Rauch. Auch in der Stadt. Ich merke es gleich frühmorgens, als ich in Chandrapur, unserem Lager für drei Tage, aus dem Hotel auf die Straße trete. Rauchiger Nebel hängt in der Luft, reizt die Lungen und verhängt den Himmel über Nepal. Die Sicht beträgt keine 100 Meter, Personen auf der anderen Straßenseite ahne ich nur schemenhaft.

Für den Weg nach Dayalpur – eigentlich nur wenige Kilometer – brauchen wir fast eine Stunde. Die Landstraße ist asphaltiert und es sind nur wenige Fahrzeuge unterwegs, aber die geringe Sicht zwingt unseren Fahrer immer wieder zu Schritttempo. Wir bewegen uns im Trüben. So bleibt es den ganzen Tag.

Wenig Perspektive
Dorfstraße in Nepal: Im Vordergrund ein paar Menschen, Hütten und Strommasten verschwinden im Nebel
Überall durchdringt der Nebel den Alltag.

Wer hier wohnt, sieht oft grade mal ein paar Meter weit bis zur Nachbarhütte. Die Armut ist groß und einen Ausweg sehen – auch im übertragenen Sinn – nur wenige. Nicht für sich, nicht für das Leben ihrer Kinder.

Die Einkommensmöglichkeiten sind begrenzt. Wer sich nicht auf dem Feld eines Großgrundbesitzers als Taglöhner verdingt, landet oft in einer der vielen Ziegeleien. In keiner anderen Region in Nepal gibt es mehr Ziegelfabriken als hier.

Eine davon besuche ich zusammen mit unserem Partner Rural Development Center (RDC). Und staune erstmal. Auf dem weiträumigen Gelände sind nicht nur tausende von Ziegeln zur ersten Trocknung gelagert. In der „brick kiln“ zwischen Brennofen und Lehmgrube wohnen auch 500 bis 600 Menschen. Ein Großteil von ihnen: Kinder.

Kinderarbeit in Nepal

Es gibt 7 Millionen Kinder in Nepal. Davon arbeiten 2 Millionen unter zum Teil harten und gefährlichen Umständen. Circa 20 Prozent als Kinderarbeiter und -arbeiterinnen in Ziegelfabriken.

Ein Kind steht erschöpft an einem Ziegelstapel und reibt sich die Augen.
Von klein auf müssen Kinder schwere Arbeit in der Ziegelei leisten.

Natürlich gibt es auch in Nepal eine Schulpflicht. Und ja, ein Großteil der Kinder – über 90 % – sind in einer Schule eingeschrieben. Aber nur ein Bruchteil besucht die Schule tatsächlich regelmäßig. Und noch weniger schließen sie regulär ab. 2019 hatte nur etwa 8% der Bevölkerung die Grundschule (bis zur 5. Klasse) abgeschlossen. Mehr als jeder dritte Mensch in Nepal konnte weder lesen noch schreiben, nur jeder Zehnte verfügt über grundlegende Lese- und Zeichenkenntnisse.

Lichtstreifen

Um das zu verändern und mehr Kindern den Besuch einer Schule zu ermöglichen, engagiert sich RDC in einem gemeinsamen Projekt mit der Kindernothilfe in der Region. In Dayalpur, damit sich der Nebel der Perspektivlosigkeit langsam lichtet. In Ziegeleien, damit Kinder erfahren und erleben, dass es nicht schicksalhafte Kinder-Pflicht ist, zu arbeiten, sondern sie lernen dürfen.

Es gibt erste freiwillige Lernangebote für die Kinder auf dem Gelände der Brick-Kiln. Kampagnen über Kinderrechte und Kinderrechtsverletzungen. Anlaufstellen für Kinder, an die sie sich wenden können. Eltern werden eingeladen zu Workshops über die Bedeutung von Bildung und positiver Erziehung. Im engen Austausch zwischen Polizei, lokalen Behörden und Schulen soll den Kindern, die von Kinderarbeit und genauso von Frühverheiratung und Menschenhandel betroffen sind, der Weg zurück ins Klassenzimmer erleichtert werden.

In den nächsten Tagen werde ich mehr davon erfahren. Lichtstreifen im Leben der Kinder in Nepal.

Ein nepalesisches Kind mit einem Buntstift und einem gelben Ballon mit der Aufschrift "Kindernothilfe" lacht in die Kamera

Fotos, wo nicht anders angegeben: Jakob Studnar

Hier geht es zu Teil 2 meines Nepalberichts.

 

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Autor: Katrin Weidemann

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