Sie können auf uns zählen, die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine: Die Solidarität und Hilfsbereitschaft in Deutschland und Europa ist grenzenlos – zumindest Menschen mit weißer Hautfarbe gegenüber. Afrikanische Geflüchtete, die in der Ukraine studieren und nun wie so viele andere das Land so schnell wie möglich verlassen möchten, machen da zum Teil ganz andere Erfahrungen…
Europa breitet die Arme aus. Allein in Deutschland gehen überall Menschen auf die Straße, spenden Geld oder bieten Übernachtungsplätze an für Familien, die vor den russischen Angriffen aus der Ukraine nach Westen fliehen. Während Kommunen ihre Krisenstäbe aktivieren und ukrainischsprachige Hotlines einrichten, sammeln Freiwillige Hilfsgüter und steuern vollbeladene Zwölftonner Richtung ukrainische Grenze, um Geflüchtete zu versorgen. Mit Decken und Winterjacken, Babywindeln und Hygiene-Artikel, mit Müsliriegeln, Medizin und Konserven bezeugt Deutschland kistenweise Solidarität.
Es ist ein offenes, menschliches Gesicht, das Deutschland da zeigt. Und nicht nur Deutschland. In vielen Ländern Europas dürfen Ukrainer:innen auf der Flucht kostenlos Bahn fahren. Und soeben haben sich die EU-Staaten darauf geeinigt, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine schnell und unbürokratisch aufzunehmen.
Europa endlich einig?
„Geht doch!“ will ich rufen. Worum jahrelang gerungen wurde – ein geeintes Vorgehen Europas im Umgang mit Geflüchteten – gelingt jetzt in einer, wie die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson twitterte, „historischen Entscheidung“. Die Frage nach Verteilschlüsseln, der Widerstand von Ländern, die sich grundsätzlich gegen Geflüchtete und ihre Aufnahme gestemmt hatten – sie lösen sich wunderbarer Weise auf in einer gemeinsamen Richtlinie, die den Vertriebenen Schutz für bis zu drei Jahre gewähren will. Schnell und unbürokratisch. Ohne langwieriges Asylverfahren. Mit Zugang zu Sozialhilfe und Arbeitserlaubnis.
Messen mit zweierlei Maß
Wie wunderbar. Und gleichzeitig: Wie bitter für all die Kriegsflüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder dem Südsudan, die bisher vergeblich auf diese Solidarität hofften. Zur Erinnerung: Noch immer werden hunderte Geflüchtete aus afghanischen und syrischen Konflikten an der belarussisch-polnischen Grenze von Mauern und Stacheldraht davon abgehalten, in die EU zu kommen. Noch immer sitzen tausende Asylsuchende auf griechischen Inseln wie Lesbos fest, in Lager gesperrt und ohne gesicherten Zugang zu Lebensmitteln oder Hilfsgütern. Noch immer hindern illegale Pushbacks Erwachsene und Kinder an der EU-Grenze zur Türkei daran, überhaupt einen Asylantrag zu stellen.
Afrikaner:innen zuletzt
Flüchtling ist eben nicht gleich Flüchtling, scheint es. Das zeigt sich jetzt auch an der polnisch-ukrainischen Grenze. Dort kam es mehrfach zu schweren Rassismus-Vorwürfen. Zuerst hatte die BBC am 28. Februar berichtet, dass afrikanische Studierende an dem Grenzübergang geschlagen und zurückgedrängt wurden, während alle anderen “ukrainisch aussehenden Wartenden“ eingelassen wurden. Die Posts der nigerianischen Studierenden in Sozialen Medien unter #AfricansinUkraine, in denen sie schilderten, wie sie am Besteigen der Busse oder Züge zur Grenze gehindert wurden, lösten eine Welle der Entrüstung aus. Sogar der nigerianische Präsident Muhammadu Buhari reagierte darauf: Weder Hautfarbe noch Pass dürften einen Unterschied bei der Behandlung von Geflüchteten machen, twitterte er. Wie beschämend, auf diese Selbstverständlichkeit hinweisen zu müssen!
Völkerrecht gilt allen Völkern
Humanitäres Völkerrecht auf der Flucht unterscheidet nicht nach Nationalität. Auf der Flucht und in der humanitären Hilfe zählt allein die Bedürftigkeit eines Menschen – nicht seine Geschlecht, nicht seine Nationalität, nicht seine Religion.
Ob gegen humanitäres Völkerrecht auf der Flucht verstoßen wurde – es ist Aufgabe von Außenministerin Annalena Baerbock, das im Rahmen der EU und der Vereinten Nationen zu prüfen und die Rassismusvorwürfe zu untersuchen. Fest steht, dass sich alle Verantwortlichen dafür einsetzen müssen, Fluchtwege und Zugang zu humanitärer Hilfe unabhängig von Nationalität oder Glaube zu öffnen.
Deutschland und Europa zeigen dieser Tage ein offenes, menschliches Gesicht. Es bleibt glaubhaft menschlich nur, wenn diese Haltung der Solidarität und des Mitgefühls allen Schutzsuchenden gilt. Ausnahmslos.
Danke, Frau Weidemann dass sie das mal so deutlich und gut beschreiben