Der Amnesty-Menschenrechtspreis

Der Anlass des Abends ist grausam: Es sind Geschichten von Folter und Mord, von staatlicher Gewalt und brutaler Verfolgung, die die Gäste mitbringen. Die Verleihung des 9. Menschenrechtspreises durch Amnesty International in der Berliner Volksbühne ist dennoch hoffnungsgebend, inspirierend und ermutigend. Das hat Gründe.

Katja Riemann (l.) mit Berta Zúniga Cáceres (Generalkoordinatorin der Bürgerinitiative indigener Gemeinschaften, Honduras), Anikó Bakonyi (Mitarbeiterin des Helsinki Komitees, Ungarn) und Jutta Klöwer (Expertin zum Thema Menschenrechtsverteidiger bei Amnesty International in Deutschland).  Quelle: © Henning Schacht Leuthener

Sie heißen Berta, Anikó, Abel oder Najia, Aida, Magda oder Taher Es sind Aktivist*innen: Frauen und Männer, die sich in ihren Ländern mit Kraft, Mut und Entschlossenheit für andere einsetzen. Einen Abend lang stehen sie in Berlin auf der Bühne.

“Happy birthday, universal human rights“, ruft die Schauspielerin und Moderatorin Katja Riemann bei ihrer Begrüßung den 800 Gästen im vollbesetzten Theater zu. Gut zwei Stunden lang unterhält sie sich dann mit Menschenrechtsverteidiger*innen aus aller Welt. Knapp 70 Jahre ist es her, dass die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedeten. Doch international selbstverständlich ist der Grundkonsens der Menschenrechte noch immer nicht. Noch immer setzen politische Akteure auf allen Kontinenten auf die Macht des Stärkeren statt auf Menschenrechte. Deswegen will der Menschenrechtspreis diejenigen unterstützen, die sich aktiv und friedlich für die Rechte anderer einsetzen. Frauen und Männer, die sich nicht einschüchtern lassen, die Ungerechtigkeit und Diskriminierung nicht hinnehmen, sondern international Alarm schlagen. Auch auf die Gefahr hin, damit selbst zur Zielscheibe von repressiven Behörden oder gewalttätigen Gruppen zu werden.

Wie die Empfängerinnen des diesjährigen Menschenrechtspreises: Es sind die Mitarbeitenden des Nadeem-Zentrums in Ägypten. Seit 20 Jahren dokumentiert das Zentrum Fälle von Folter durch ägyptische Sicherheitskräfte und betreibt in Kairo eine Spezialklinik zur Behandlung von Überlebenden von Folter und Gewalt.

Gründerinnen des Nadeem-Zentrums. (Quelle: Dana Smillie/Polaris).

Für die Preisverleihung in Deutschland bekamen die beiden Gründerinnen des Nadeem-Zentrums nun keine Ausreisegenehmigung. Schon mehrmals versuchten Behörden und Sicherheitsapparat in Ägypten, die Arbeit des Zentrums zu behindern. Mal wurden die Konten der Organisation eingefroren, dann vor einem Jahr die Klinik des Zentrums zwangsweise geschlossen. Trotz aller Schikanen setzt das Team seine Arbeit fort, können die Überlebenden von Folter und Vergewaltigung weiterhin über die Hotline Hilfe erreichen.

Etwas von der Stärke der Frauen des Nadeem-Zentrums ist spürbar, als Aida Seif al-Dawla in einer Videobotschaft ihren Dank für den Preis ausdrückt. Auf der Leinwand ist sie mitten unter uns in Berlin. Stark!

Im Reigen der Beiträge beeindrucken mich zwei weitere Frauen besonders. Einmal die Aktivistin Anikó Bakonyi vom Helsinki-Komitee aus Ungarn. Wie Hunderte ihrer Kolleginnen und Kollegen ist sie ins Visier des autoritären Staatschefs Viktor Orbán geraten, steht auf einer Liste mit mehr als 200 Namen von ungarischen Akademikern, Journalisten und Bürgeraktivisten, die eine regierungsnahe Zeitung in der vergangenen Woche veröffentlichte. Was als Einschüchterungsversuch gedacht war, macht ihr keine Angst. Im Gegenteil. Stolz sei sie, „Teil dieser leuchtenden Gruppe zu sein“. Beeindruckend!

Katja Riemann mit Berta Zúniga Cáceres.  (Quelle: Henning Schacht)

Besonders berührt mich schließlich das Gespräch mit Berta Zúniga Cáceres. Die Tochter der vor zwei Jahren ermordeten Menschenrechts-Aktivistin Berta Cáceres führt die Arbeit ihrer Mutter in Honduras fort. Als Generalkoordinatorin von COPINH, dem Zivilen Rat der Basis- und Indigenenorganisationen von Honduras, setzt sie sich ein für die Rechte indigener Völker und den Erhalt der natürlichen Umwelt. Im persönlichen Gespräch mutet die zierliche junge Frau fast mädchenhaft an. Für viele Menschen in Honduras, dem Land mit der weltweit höchsten Mordrate an Aktivisten, ist sie ein großes und mutiges Vorbild.

Es sind Frauen wie Aida, Anikó und Berta, die auch mich immer wieder bestärken und inspirieren, mich mit Mut, Geduld und Beharrlichkeit stark zu machen für andere.

VLNR: Hinrich Westerkamp, Berta Zuniga Caceres, Najia Bounaim, Ferhan Önder, Markus N. Beeko, Taher Mokhtar, Ferzan Önder, Salil Shetty, Jutta Klöwer, Aniko Bakonyi, Anne Tismer, davor Musiker von BÄM! bei der Verleihung des Amnesty Menschenrechtspreis am 16042018 in Berlin. (Quelle: Henning Schacht)

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Autor: Ludwig Grunewald

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