Viele waren erleichtert. Das Team der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch 3, Außenminister Heiko Maas, genauso wie die TV-Moderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf. Sie alle hatten sich in der vergangenen Woche für die Freilassung der Kapitänin Carola Rackete in Italien starkgemacht. Mittlerweile ist die von vielen als Heldin der Seenotrettung gefeierte Kommandantin wieder frei. Aber noch ist nichts gewonnen.
Die Situation ist schwierig. Während die Zahl der Ankünfte über die Mittelmeerroute seit 2016 stark gesunken ist (2016: 372.562 Menschen, 2017:185.139 Menschen, 2018: 116.600), hat sich die Todesrate auf dem Mittelmeer im Vergleich zum vorigen Jahr vervierfacht – und das sind nur die offiziellen Zahlen. Laut UNO sterben jeden Tag 6 Menschen im Mittelmeer. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein.
Seenotrettung ist keine Straftat!
Die Seenotrettung liegt aktuell fast ausschließlich in den Händen von zivilen NGO-Schiffen. Die wiederum werden von Italien massiv in ihrer Arbeit behindert und kriminalisiert. De facto sind die Häfen in der EU für die zivile Seenotrettung dicht. Immer wieder irren Schiffe wie die „Sea Watch 3“ oder die „Alan Kurdi“ tagelang auf dem Mittelmeer herum, auf der Suche nach einem sicheren Hafen, der ihnen die Einfahrt erlaubt.
Bundesweit haben am vergangenen Wochenende Tausende Menschen gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung demonstriert. Aufgerufen dazu hatte die Organisation Seebrücke. Ihre Forderungen an die Bundesregierung sind klar: jetzt mutig Verantwortung übernehmen und bis auf Weiteres alle Mittelmeer-Flüchtlinge aufnehmen!
Seeleute sind verpflichtet, Menschen aus Seenot zu retten
Denn: Menschen aus Seenot zu retten ist eine Selbstverständlichkeit. Mehr noch: Seeleute waren und sind verpflichtet, Menschen aus Seenot zu retten. So schreibt es das UN-Seerechtsübereinkommen vor. Was ist das für eine Ethik, die Rettung und Aufnahme von Geflüchteten abhängig macht von der Bereitschaft anderer, auch tätig zu werden? Wie viel sind die europäischen Werte wert, wenn sich ein Seenotrettungsschiff einem europäischen Hafen nähert? Wenn es um die Verteilung von Geflüchteten geht, erleben wir ein unwürdiges Gezerre und eine Europäische Union, die sich in Teilen eher als Egoisten-Union präsentiert.
„Schicken wir ein Schiff“: Seenotrettung als christlicher Auftrag
Menschen auf dem Mittelmeer sterben zu lassen, um die Abschottung Europas weiter voranzubringen und politische Machtkämpfe auszutragen, widerspricht jeglicher Humanität. Gebraucht wird eine stabile europäische Lösung, ja. Aber bis sich die Länder irgendwann einmal auf einen Mechanismus zur Verteilung der Bootsflüchtlinge einigen können, braucht es eine Lösung schon jetzt. Und zwar sofort. Und die heißt Seenotrettung.
Der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hatte beim evangelischen Kirchentag in Dortmund verkündet: Man wolle nicht mehr zusehen, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken, sondern selbst aktiv werden. Noch auf dem Kirchentag wurde eine Resolution verabschiedet, die ein solches Rettungsschiff Wirklichkeit werden lassen soll: „Schicken wir ein Schiff.“
Es ist höchste Zeit zu handeln!
Zu Beginn dieser Woche appellierte Bundesentwicklungsminister Müller an die neue EU-Kommission, „sofort“ zu handeln und eine „neue Initiative“ zu starten, um die Mittelmeeranrainer zu unterstützen. Kein Hangeln mehr von einer Notlösung zur nächsten. „Wir können nicht auf alle warten. Die aufnahmebereiten Staaten müssen jetzt vorangehen“, sagte er.
Tatsächlich muss sofort etwas geschehen. Die Seenotrettung ist ein Weg, elementare Menschenrechte – und damit auch Kinderrechte – sichern zu helfen. Deshalb reihen wir uns als Kinderrechtsorganisation in die wachsende Menge engagierter Bürger*innen ein, die ein Ende des sinnlosen Sterbens auf dem Mittelmeer fordern. Unter anderem schließen wir uns dem Bündnis #Unteilbar an und rufen alle unsere Unterstützer auf, auf der bundesweiten Demonstration am 24. August in Dresden für die Grund- und Freiheitsrechte und für das Recht auf Flucht auf die Straße zu gehen.
Es ist höchste Zeit zu handeln!