Ich war gespannt, welchem Thema wir Gewicht verleihen würden: Wenn erstmals seit fast sieben Jahren Deutschland für einen Monat den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat innehat – worauf würde Minister Maas mit Nachdruck hinweisen, welches Ausrufezeichen würde er setzen? Es war, das zeigte diese Woche, eines, das dem Schutz von Tausenden dienen soll.
Die Ächtung sexueller Gewalt gegen Frauen als Kriegstaktik steht spätestens nach dem Krieg in Ex-Jugoslawien auf der UN-Agenda. In Konfliktregionen weltweit wird Vergewaltigung und Verschleppung von Frauen bis heute als Kriegs- und Terrortaktik eingesetzt. Doch mit der Aufarbeitung dieser perfiden Verbrechen tut sich die Staatengemeinschaft schwer. Nun forderte Bundesaußenminister Heiko Maas in einer Sondersitzung den UN-Sicherheitsrat zum Handeln gegen sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten und deren Straflosigkeit auf.
Es sollte ein starkes Signal werden. An prominenter Unterstützung fehlt es nicht: Zwei Friedensnobelpreisträger von 2018, Denis Mukwege und Nadia Murad, UN-Generalsekretär António Guterres, die Schauspielerin Angelina Jolie und Menschenrechtsanwältin Amal Clooney, sie alle machen sich stark für den Schutz von Missbrauchs- und Vergewaltigungsopfern, fordern von der Weltgemeinschaft mehr Einsatz gegen sexuelle Gewalt in Kriegen und Konflikten. Dem kongolesischen Arzt Mukwege begegnet das Leid der von Gewaltgräueln traumatisierten Frauen tagtäglich: In seiner Klinik für misshandelte Frauen im Kongo behandelt er mitunter gleich drei Generationen derselben Familie: Mutter, Tochter und auch Enkel im Kleinkindalter.
Die Täter kommen viel zu oft ungestraft davon
Im Kongo genauso wie im Südsudan, in Myanmar, Libyen oder in Syrien. Mitglieder des sogenannten IS haben dort Tausende Menschen ermordet, Tausende jesidische Frauen vergewaltigt und versklavt. Allein: Die Taten wurden bislang nicht geahndet, die Täter gingen straflos aus.
„Kein Einziger wurde bisher wegen sexualisierter Gewalt gegen Jesidinnen zur Rechenschaft gezogen“, ruft Nadia Murad, selbst einst Sklavin des „Islamischen Staates“ im Irak, den Vertretern des UN-Sicherheitsrates zu. Und Amal Clooney warnt, die IS-Täter könnten ihre Bärte rasieren und zurück in ihr normales Leben gehen. Es gebe nur ein „Gegengift“ gegen die „weltweite Epidemie sexualisierter Gewalt“, mahnt sie – Gerechtigkeit.
Eigentlich, dachte ich, sollte es für die Mitglieder des Sicherheitsrats ein Leichtes sein, sich einstimmig dafür auszusprechen. Für verbesserte Ermittlungsmöglichkeiten. Dafür, dass internationale Normen wie UN-Resolutionen eingehalten werden. Zwei wesentliche Resolutionen hatten die Vereinten Nationen zum Thema bisher ja schon verabschiedet: Die im Jahr 2000 beschlossene Resolution 1325 ruft dazu auf, Frauen zu schützen und sie gleichberechtigt in Friedensverhandlungen und beim Wiederaufbau einzubeziehen. Im Jahr 2008 forderte die Resolution 1820 dann den sofortigen Stopp jeglicher sexueller Gewalt als Methode der Kriegsführung.
Jetzt geht es darum, Täter sexueller Gewalt zur Rechenschaft zu ziehen. Die Opfer stärker zu unterstützen: die Mädchen und Frauen, denen Gewalt widerfuhren, genauso wie die Kinder, die aus Vergewaltigungen entstanden sind.
Eigentlich kein Thema, bei dem mit Widerstand zu rechnen war. Es gab ihn doch. Den ursprünglichen deutschen Resolutionsentwurf anzunehmen, dazu konnte sich der Sicherheitsrat nicht durchringen. Die USA drohten mit Veto, feilten lange an Formulierungen des Entwurfs herum. Besser wurde er dadurch nicht, eher sprachlich verwässert. Mit 13 Ja-Stimmen wurde die Resolution 2467 schließlich angenommen. Russland und China enthielten sich bei der Abstimmung.
Längst überfällig: die Umsetzung in nationale und internationale Gerichtsbarkeit
Die Resolution, die Deutschland einbrachte, ja sie ist begrüßenswert und längst überfällig. Es gilt: Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden, Gewaltopfer brauchen juristische, medizinische und finanzielle Unterstützung. Aber es gilt auch: Beschlüsse dazu dürfen nicht nur auf dem Papier stehen, sie müssen auch umgesetzt werden. Was jetzt fehlt, sind konkrete Maßnahmen. Substantieller Opferschutz braucht mehr als ein „wird empfohlen“, „wir raten“ und „die Länder sollten“. Es braucht die konkrete Umsetzung in nationale und internationale Gerichtsbarkeit. Damit das Ausrufezeichen, das Deutschland mit dem Thema im UN-Sicherheitsrat setzte, nicht nur auf dem Papier steht.