Auf einer provisorischen Bühne in Ugandas Provinz treffen zwei Welten aufeinander: die des Alkoholmissbrauchs, des Hungers, des fehlenden Schulgeldes für die Kinder und die des gemeinsamen Aufbruchs in der Selbsthilfegruppe. Es ist ein Theater des Lebens.
„Mulembe“, begrüßen mich die Frauen im Chor auf Lumasaba, einer der vielen Sprachen Ugandas. Eine Stunde lang sind wir von der Distriktsstadt Mbale über vom Regen durchweichte, teilweise tief zerklüftete Erdpisten hierher nach Sibanga gefahren. Jetzt sitze ich mit gut 20 Frauen einer Selbsthilfegruppe (SHG) im Kreis, auf niedrigen Hockern, Matten oder auf den Boden gestreuten Blättern. Während sich über uns die nächsten regenschweren Wolken zusammenballen, stellen wir uns gegenseitig vor.
Ein Dorf, zwei Welten
Und dann spielen die Frauen Theater – kein fremdes Stück, sondern eines, das ihr Leben schrieb. Als Bühne dienen zwei nebeneinander in den Sand gemalte große Kreise, in denen sie einmal das Vorher und daneben das Jetzt ihrer Mitgliedschaft in der Gruppe darstellen.
Der ersten Bühne nähert sich heftig schwankend eine der Spielerinnen in ihrer Rolle als betrunkener Ehemann. Den Stuhl, den ihr die Ehefrau vor dem angedeuteten Zuhause anbietet, verfehlt sie um mehrere Armlängen. Die Fragen nach Essen für die Kinder, nach Geld für Strom, Schulgeld und Medizin prallen an ihr und ihrem Rausch ungehört ab.
Auf der zweiten Bühne sammeln sich währenddessen die Mitglieder einer Selbsthilfegruppe im Kreis, erzählen sich die Ereignisse ihrer Woche und zahlen ihren wöchentlichen Sparbetrag in die Gruppenkasse ein, von der Schatzmeisterin im Einlagenbuch säuberlich notiert. Meine Augen wandern von einem Schauplatz dieses provisorischen Theaters zum anderen. Hier die ratlos verzweifelte Ehefrau vor der Hütte mit den hungrigen Kindern und dem mittlerweile laut schnarchenden Mann. Dort die Frauen, die sich mit Darlehen aus der Gruppenkasse ein kleines Geschäft aufgebaut haben, sich gegenseitig beraten und nächste Ziele stecken.
Gemeinschaft als Ausweg – nicht nur im Theater
Und dann gibt es diesen Moment im Spiel, wo sich die beiden Kreise berühren. Die Frau aus der Hütte begegnet einem Mitglied der Selbsthilfegruppe. Das hoffnungslose Elend der einen und die zuversichtliche Selbstsicherheit der anderen treffen aufeinander.
Und sie verbinden sich. Das Selbsthilfegruppen-Mitglied erkennt in der anderen nämlich ihre eigene Geschichte. Wird von ihr an die eigene Vergangenheit erinnert, als sie selbst zu den Ärmsten der Armen gehörte, nicht wahrgenommen, nicht ernstgenommen, ohne Mittel, ohne Stimme und ohne Perspektive. So lädt sie die Fremde ein in ihre eigene Selbsthilfegruppe.
Als die Frauen an dieser Stelle des Stücks angekommen sind, setzen die ersten dicken Regentropfen dem Theater ein abruptes Ende. Wir flüchten mit unseren Stühlen und Matten ins Haus einer der SHG-Frauen. Durchnässt und lachend drängen wir uns in den größeren der zwei Räume des Lehmbaus.
Die Chance des Lebens
Es berührt mich immer wieder, welch unglaubliche Kraft in den Frauen durch die Selbsthilfegruppen freigelegt wird. Wie die wöchentlichen Treffen, die Bestärkung durch die Gruppe, wie das Sparmodell und das angebotene Training das Leben der Frauen – und das ihrer Familien! – vollkommen verändern können. Die Frauen hier in Sibanga haben das erlebt und zeigen es mit ihrem Theaterspiel. Damit auch andere die Chance dazu bekommen.
Liebe Frau Weidemann, ich bin beeindruckt von ihrer Gabe so berichten zu können. Das sind so interessante Themen und sie schreiben mit Herzblut und ich empfinde es sehr wohltuend in unserer hektischen Zeit. Sie sollten Ihre Tagebücher als Buch veröffentlichen. Ich glaube, das wird ein großer Erfolg. Für Ihre Arbeit wünsche ich Ihnen von Herzen weiterhin viel Freude und Spaß und grüße recht herzlich
Ingrid Arnold