Arbeit für andere öffnet uns selbst neu die Augen. Das habe ich wieder einmal erlebt beim Besuch eines Kindernothilfe-Arbeitskreises, diesmal in Angeln. Hier, im höchsten Norden der Republik an der Ostsee, feiere ich ein Wochenende lang das Jubiläum der Kindernothilfe.
Genauer: das doppelte Jubiläum. Denn halb so alt wie die Kindernothilfe selbst, die vor 60 Jahren in Duisburg gegründet wurde, ist dieser nördlichste Arbeitskreis, der unsere Arbeit unterstützt. Vor 30 Jahren fanden sich hier Christen zusammen, um sich für notleidende Kinder einzusetzen. Am 18. März 1989 organisierten sie das erste Patentreffen in Sörup, zu dem 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen. In drei Jahrzehnten wuchs ein großer Freundes- und Spenderkreis, der die weltweiten Projekte der Kindernothilfe bis heute unterstützt.
Der Festabend zum Jubiläum
Viele sind gekommen zum Jubiläums-Festabend im Gemeindehaus der St. Nikolaikirche in Quern: Gründungsmitglieder und Paten, ehrenamtliche Unterstützer, Bürgermeister und Interessierte. Mit einem fröhlichen „Moin“ werden mein Mann und ich begrüßt, nachdem uns die Deutsche Bahn nach neun Fahrt- und Wartestunden tatsächlich hierher, in den Nordosten Schleswig-Holsteins, geschafft hat.
Und dann geht’s los: mit Bildern und Musik, mit Beiträgen von Niklas Alof, der von Duisburg aus den Arbeitskreis begleitet und betreut, und einem langen Interview, in dem ich von der weltweiten Arbeit unseres Kinderrechtswerks erzähle, wird das Jubiläum begangen. Klaus-Heinrich Nissen und Ralph Häcker, Gründungsmitglieder und Koordinatoren des Arbeitskreises, gestalten den Abend. Sie hätten sich vor 30 Jahren nicht träumen lassen, wie sich ihre Initiative entwickelt. Dass sie über viele Jahre hinweg die Arbeit von mobilen Farmschulen in Uganda unterstützen und regelmäßig besuchen würden – Klaus-Heinrich Nissen war erst vor wenigen Wochen wieder dort.
Regelmäßig berichten sie in Rundbriefen von „ihren“ Projekten, organisieren Infoveranstaltungen, machen Ausstellungen in Schulen und Gemeinden. Mit all dem Engagement, vernetzt mit anderen Arbeitskreisen, sind sie hier in Deutschlands Norden eine stabile Größe für das Wohl von Kindern geworden.
Über den eigenen Horizont hinaus
Was sie antreibt? Die Mitglieder des Arbeitskreises kennen beides: Zeiten, wo der Erfolg der Aktionen sie motiviert. Sie kennen aber auch Durchhänger, wo manches nur schwer gelingen will, keiner Zeit hat, Absagen kommen und sie sich die Frage stellen: Warum mache ich mir eigentlich die ganze Mühe?
Was sie dann bewegt, dranzubleiben, erlebe ich selbst spätabends, als wir nach der Jubiläums-Veranstaltung zum Hotel gebracht werden. Es ist schon nach 22 Uhr und mein Mann und ich gehen noch kurz ans Ufer der Ostsee. Da stehen wir dann, blicken aufs Meer hinaus – und sehen weiter als bis zum Horizont. Der rote Schimmer der Abendsonne liegt noch über dem Meer.
Und genauso, denke ich, ist es mit der Arbeit der Kindernothilfe: Sie erweitert den eigenen Horizont. Ich sehe weiter als nur bis zu der Linie zwischen Himmel und Erde. Bis nach Afrika oder Lateinamerika oder Asien. Der Einsatz für andere bereichert mein eigenes Leben, gibt meinem Leben Licht, gibt ihm tieferen Sinn und Inhalt.
60 Bibelstellen für die Kindernothilfe
Beim Festgottesdienst am nächsten Morgen, in dem ich predigen darf, wird das noch einmal deutlich. Die Frauen und Männer des Arbeitskreises haben dafür – passend zu 60 Jahren Kindernothilfe – 60 Bibelstellen aus der Gerechtigkeitsbibel ausgewählt. Auf leuchtend gelben Plakaten hängen sie zum Jubiläum neben den Kirchenbänken der historischen Nikolaikirche. Auf einen Blick wird deutlich, wie die Arbeit für Kinder weltweit mit dem Willen Gottes verknüpft ist.
„Glücklich ist, wer sich für die Schwachen einsetzt.“
„Nehmt Euch der Hungernden an.“
„Versorgt die Notleidenden mit allem Nötigen. Dann wird mein Licht eure Finsternis durchbrechen. Die Nacht um euch her wird zum hellen Tag.“
Ja, die biblischen Verse machen es deutlich: Gott will, dass die Welt gerechter wird. Dass wir Not sehen und lindern.
Aber auch das lesen wir aus den Versen: Der Einsatz für andere kann für mich selbst zur Quelle neuer Kraft werden, mein Leben verändern und ihm eine neue Richtung geben.
Arbeit für andere öffnet uns selbst neu die Augen.