Ich mag die Ruhe zwischen den Jahren. Mit Zeit zum Aufräumen des Schreibtisches, mit Stunden zum Sortieren und Bedenken der Ereignisse des Jahres, mit Dankbarkeit für das Erreichte. Im Rückblick entsteht schon ein Stück Landebahn für das Zukünftige, wird dem Werdenden der Boden bereitet.
Es sind noch nicht die großen Analysen, die in diesen Tagen entstehen, nicht die abschließenden Bewertungen. Eher ein erstes Einordnen. Der Rückblick macht deutlich, wie viel Grund zur Dankbarkeit ich habe. Dankbarkeit zum Beispiel für unsere Mitarbeitenden, die mit großartigem Engagement und ganz viel Herzblut hunderte von Projekten entwickelt und auf den Weg gebracht haben, um Kindern weltweit einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.
Kinder mit Zukunft
Ich erinnere mich an Kinder, denen ich bei Projektbesuchen in diesem Jahr begegnet bin: Jungen wie José, der früher auf den Straßen Manilas lebte und seinen Körper verkaufen musste, um zu überleben. Jetzt hat er im Zentrum eines Kindernothilfe-Partners die Chance auf ein Leben in Würde. Auf Schulbesuch und eine Ausbildung, auf Wertschätzung und Heilung.
Auch Karo aus Uganda sehe ich im Rückblick deutlich vor mir. Sie wuchs in einem Slum in Uganda auf, mit vier Jahren wurde sie zum Betteln auf die Straße geschickt. Mittlerweile ist sie eine junge Frau, hat einen Universitätsabschluss und engagiert sich in dem Straßenkinderprojekt, das für sie selbst die Rettung war.
Dankbar für Unterstützung und Anerkennung
Auch dass unsere Arbeit von vielen Förderern 2016 intensiv unterstützt wurde, erfüllt mich mit Dankbarkeit. Paten, Dauerspender, Stifter – viele leisteten einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen Not, Elend und Gewalt. Und im Dezember freuten wir uns zusätzlich über manch bemerkenswerte Großspende, von Einzelpersonen oder auch von Unternehmen wie Price Waterhouse Cooper, die anstelle von Geschenken für ihre Mandanten eine Spende an die Kindernothilfe geleistet haben.
In der Geschäftsstelle gab es beim Rückblick auf die vergangenen vier Wochen noch eine ganze Reihe zusätzlicher Gründe, sich zu freuen: Über den 1. Platz bei der Transparenz-Studie auf Spiegel Online und über den 1. Platz als Familienfreundliches Unternehmen in Duisburg. Über die Auszeichnung mit dem „HR-next generation award“ für unseren Mitarbeiter Marcel Rütten. Und dann hat die Unternehmensberatung A.T.Kearney die Kindernothilfe noch als familienfreundlichste Organisation Deutschlands mit dem 361°-Family-Award ausgezeichnet.
Rückblick weltweit: 200 Jahre in Zahlen
Mitten in meinen persönlichen Rückblick 2016 schickt mir ein Freund Tabellen, die die Entwicklung der jüngeren Menschheitsgeschichte weltweit darstellen. Und das sieht bemerkenswert positiv aus! Es ist erstaunlich, was sich in den letzten 200 Jahren alles zum Besseren verändert hat.
Extreme Armut: 1820 lebten 95 Prozent der Menschen in extremer Armut und 5 Prozent nicht. Das hat sich fast umgedreht. Heute leben noch 10 Prozent in extremer Armut und 90 Prozent nicht.
Lesen und Schreiben: 1800 konnten 12 Prozent der Weltbevölkerung lesen und schreiben. 88 Prozent waren Analphabeten. Heute können 85 Prozent aller Menschen lesen und schreiben, 15 Prozent gelten als Analphabeten.
Schließlich die Kindersterblichkeit: Im Jahr 1800 starben 43 Prozent aller Kinder vor dem 5. Lebensjahr. Heute sind es 4,25 Prozent aller Kinder, der Prozentsatz ist also exakt auf ein Zehntel zurückgegangen.
Kein Grund zur Resignation
Damit ich richtig verstanden werde: Das sind keine Zahlen, mit denen wir zufrieden sein können. Wir können die Hände nicht in den Schoß legen, da gibt es für uns als Hilfsorganisation noch eine Menge zu tun. Aber es ist auch richtig, dass sich in den letzten 200 Jahren viel verbessert hat. Es gibt keinen Anlass zur Resignation, keinen Grund für Wutbürgertum.
Das Leben im Jahr 2016 kennt auch weiterhin viele Unsicherheiten und Gefährdungen. Aber es ist viel sicherer als noch vor 100 oder 200 Jahren. Etwas weiter zu verbessern ist mühsam. Es kann dauern, manchmal Generationen. Ich bereite mich jetzt auf die nächsten Schritte 2017 vor.